Die kleine L. #1

Wie es so ist, war ich ein wenig kreativ und habe eine kleine Kurzgeschichte geschrieben: „Die kleine L.“ Diese möchte ich mit euch teilen. Sie besteht aus zwei Teilen und den nächsten Teil gibt es, sobald er fertig ist.
Ich hoffe ihr habt Spaß beim Lesen.


Die kleine L. war nie ein auffälliges Mädchen. Lebendig und unkontrollierbar vielleicht, aber auffällig? Nein, niemals. Wirklich nicht.
Ihre Eltern wussten vieles über die kleine L. zu berichten, aber dass sie auffällig war? Sicher nicht.
Sie war höchstens tiefer im nachbarschaftlichen Wald, als all die Jungs ihres Alters. Auch erkletterte sie die höchsten Bäume, was die Jungs sich nicht trauten. Aber auffällig? Nein, sicher nicht.
Ihre Lebensgeschichte? Ja, die ist sicher sehr schnell erzählt. Da gibt es ja nicht sehr viel, was man erzählen könnte bei einem unauffälligen Kind.

Im Alter von einem Jahr lernte sie laufen und schnell brachten ihre Eltern alles Gefährliche vor ihr in Sicherheit. Auch die Treppe in den Keller sicherten sie mit einer Leiter, so dass sie nicht unbeaufsichtigt stürzen könne.

Der gemeinsame Hund, den haben sie abgeben müssen, als die kleine L. 3 Jahre alt war. Sie waren sich nicht sicher, ob der Hund sie nicht vielleicht doch beißen könnte. Schrecklich den Hund abzugeben? Sicher. Aber er war ja bei Verwandten gut aufgehoben und sie konnten den Hund ab und an wieder sehen.

Später sei die kleine L. dann in den Kindergarten gegangen und habe dort wie jedes andere Kind auch mit den anderen Kindern gespielt. Ob die Erzieher und Erzieherinnen irgendwas gesagt hätten? Nein, nur das sie L. immer wieder vom Apfelbaum holen mussten, weil sie ständig da rauf geklettert war und Äpfel stibitzt hatte. Im Grunde genommen war das kein Problem, da der Baum ja auch für die Kinder gedacht war. Zumindest die Äpfel. Allerdings sollten sie immer fragen, bevor sie sich Äpfel nahmen. Das hat die kleine L. dann meist vergessen.
Ob die Eltern mit dem Kind geredet haben? Natürlich haben sie das. Die kleine L. hat dann immer „Verzeihung“ gesagt und gesagt das sie das nicht mehr machen würde, auch wenn es zwei Wochen später wieder vorkam. Aber da im Grunde genommen niemand zu Schaden kam, war es den Eltern nicht so wichtig. Sie tat ja sonst nichts, was ungewöhnlich oder auffällig war.
Diese Marotte würde die kleine L. schon später wieder verlieren, so dachten sie. Und schließlich tat sie das auch.

In den ersten Schuljahren war die kleine L. ein vorbildliches kleines Mädchen gewesen. Sie lernte schnell, vielleicht sogar etwas schneller als die anderen Kinder. Darauf waren die Eltern stolz. Allerdings war das doch nichts auffälliges, oder? Ist es etwa nicht normal, wenn ihr Kind schneller lernt, als die anderen ihrer Altersstufe? Dafür spielte sie doch in der Pause mit den anderen. Da war doch nichts dabei. Auch mussten ihre Eltern niemals etwas schlechtes hören, wenn es zum Elternabend ging. Ständig wurde sie nur gelobt.

Ob sie Freunde hatte? Mit Sicherheit hatte sie Freunde. Sie spielte viel mit den Kindern in der Schule, sagten ihre Lehrer. Auch mit den Kindern im Kindergarten hat sie sehr gerne und oft gespielt. Ob sie oft besucht worden ist? Nein, eigentlich nicht. So ein Kinderbesuch brachte ja viel Unordnung mit sich und die kleine L. war ja auch so schon lebhaft genug. Das wollte man den anderen Eltern ja auch nicht unbedingt antun, das dort alles im Chaos lag. Ihre Eltern hatten ja schon zu Geburtstagen oft und viel zu tun. Und da kam dann ja auch nur die Verwandtschaft. Es wurde dort sehr viel Geschirr verbraucht und das musste ja auch wieder sauber gemacht werden.
Die kleine L.? Die hatte ja dafür immer die Möglichkeit im Garten zu spielen, wenn es grade nicht zu nass oder zu heiß war. Man musste ja aufpassen, dass die kleine sich keinen Schnupfen oder Sonnenstich holte.
Was sie so den Tag über getrieben hat? Meistens spielte sie in der Zeit in ihrem Zimmer vor sich hin. Was genau? Daran konnten sich ihre Eltern nicht mehr erinnern. Es ist ja schon so lange her.

Das sie zwischenzeitlich die Schule wechseln musste? Das war für die kleine L. kein Problem. Dass sie ihre Freunde nicht mehr gesehen hat? Nein, das hat ihr da auch nichts ausgemacht. Sie spielte ja sowieso lieber allein in ihrem Zimmer. Womit sie da gespielt hat? Meist mit dem alten, dreckigen Stofftier, welches ihr die Oma vor ihrem Ableben geschenkt hatte.
Ob sie das Stofftier noch hat? Nein, natürlich nicht. Es war nicht mehr rettbar verdreckt und wurde von den Eltern vorsorglich entfernt, bevor die kleine L. krank werden würde.
Sie war sowieso immer so kränklich. Ständig hatte sie irgendein Wehweh. Man musste fast den ganzen Tag auf sie aufpassen, damit sie sich nicht etwas tat. Ständig gab es hier eine Blessur, dort einen Schnupfen.
Das lag sicher daran, dass ihr Zimmer ständig unordentlich war. Spielzeug ist ja auch ein Hort der Krankheiten. Was sich da alles an Bakterien ansiedeln könne, das will man sich lieber nicht vorstellen. Ständig musste man die kleine L. daran erinnern, dass sie die Sachen wieder aufräumen muss. Es gab quasi keinen Tag, an dem sie nicht etwas herum liegen ließ.

Aber wirklich auffällig? Nein, das war sie ganz sicher nicht. Ihre Eltern würden sich daran erinnern, oder nicht? Ihre Lehrer hätten sie garantiert darauf angesprochen. Auch die Verwandten haben nichts Auffälliges gefunden. Die kleine L. saß ja sowieso meist eher still im Eck, wenn Verwandtschaft da war. Man musste sie regelrecht dazu anhalten, etwas mit den Verwandten zu tun. Nie hatte sie den Verwandten zu ihrem Geburtstag das neue Tänzchen gezeigt, welches sie in der Schule gelernt hat, oder den Kaffee eingeschenkt, wie es für eine brave Gastgeberin gehörte.

Erst in den letzten Jahren wussten die Eltern nicht mehr, was sie mit der kleinen L. machen sollten. Sie begann mehr und mehr sich zu verschließen. Schließlich mussten sie die Tür von ihrem Zimmer entfernen, damit sie sich nicht ständig einschloss. Dieses Verhalten kannten sie nicht von der kleinen L. Auch schien es ihr nicht mehr so gut zu gehen. Erst als sie dann herausgefunden hatten, dass sie Dinge vor ihnen versteckte, kamen sie ins Grübeln. Was das zu bedeuten hätte? Nein, das wüssten ihre Eltern nicht. Sie seien ja keine Psychologen. Deswegen seien sie ja hier. Um der kleinen L. zu helfen, das sie wieder auf den rechten Weg kommen würde.
Sie gab auch immer wieder Widerworte. Das war vollkommen unbekannt. Ihre Eltern wussten nicht weiter. Auch hätten sie Angst, dass die kleine L. irgendwann ihnen gefährlich werden würde. Jetzt war sie ja schon stärker und größer als ihre beiden Elternteile. Wie sollte das enden? Sie wollten doch nur das Beste für die kleine L.