Artikel 13 und ich

Jeder kennt weiß mittlerweile darüber Bescheid. Über Artikel 13. Bis jetzt gab es sehr viele Nennungen des Themas bei so ziemlich jeder bekannten Persönlichkeit. Angefangen von Content-Erstellern, bis hin zu Rechtsanwälten und natürlich auch Politikern und GEMA-Aufsichtsräten.

Natürlich muss ich jetzt erst einmal sagen, ich bin kein Rechtsanwalt und ich bin auch kein Musiker der einer Verwertungsgesellschaft angehört. Ebenfalls bin ich niemand, der Filter-Systeme erschafft. Ich bin einfacher Content-Creator und Content-Consumer.

Häufige Argumente der Befürworter

Die Befürworter der Urheberrechtsreform möchten natürlich erst einmal eine faire Bezahlung für die Urheber erreichen. Das ist soweit löblich und unterstützenswert. Jeder der etwas erstellt, sei es kreativ oder anderweitig, sollte dafür fair bezahlt werden, das jemand anders es nutzt. Das Argument wird aber bei jeder Urheberrechtsreform hervor gekramt. Daher frage ich mich: Wieso war die Bezahlung vorher nicht fair, da dies ja schon mit der letzten Reform so gedacht war.
Die Antwort lautet natürlich, das sich die Gesellschaft und die Technik verändert und die Reform veraltet ist. Die aktuelle Rechtslage bezieht sich noch auf die Offline-Welt. Da dort niemand zählen kann, wie oft und wie lang z.B. ein Musikstück oder Text kopiert wurde, gibt es hier eine pauschale Leermedien-Abgabe. Also jeder, der irgendein Gerät oder Medium herstellt, das dafür geeignet ist solche Werke aufzunehmen oder zu vervielfältigen zahlt in einen großen Topf, aus dem die Künstler vergütet werden.

Verwertungsgesellschaften

Dazu muss aber gesagt werden: Die Künstler müssen dann auch in den entsprechenden Verwertungsgesellschaften sein. Das ist nicht so einfach. Bei der VG Bild beispielsweise kann man nur Mitglied werden, sofern man mit der Fotographie auch seinen Lebensunterhalt bestreitet.
Eine Plattform muss selbstverständlich auch mit ungebundenen Rechteinhabern entsprechende Verhandlungen führen. Das sind dann du und ich. Wir müssen dann auch jeder Plattform, mit der wir keine Lizenzverhandlung abschließen die notwendigen Informationen zur Sperrung der Werke zukommen lassen. Jeder Plattform? Jede! Ansonsten kann die Plattform das Werk auch nicht sperren.

Rechtsfreier Raum „Internet“

Das Internet aus der Sicht der Befürworter.
Quelle: Pixabay, Bildunterschrift: Ich

Auch soll das Internet mit der Reform um einen rechtsfreien Raum freier werden soll. D.h. Befürworter stellen das Internet immer noch so hin, als sei es eine Wild-West-Gegend, in der jeder Urheberrechtsverletzungen begeht, wie er seine Unterhose wechselt. (Letzteres hoffentlich oft genug.)
Dies mag vielleicht so stimmen bei Plattformen die illegale Waren und Downloads anbieten. Diese kann man aber wohl mit dem Drogendealer in der dunklen Nebengasse vergleichen. Die Aktivität des Drogendealers ist auch jetzt schon verboten, ohne das die neue Urheberrechtsreform benötigt wird.
YouTubes und die Aktivität anderer Plattformen ist wohl eher mit einem Mal-Wettbewerb in einem Kindergarten vergleichbar. Alle Kinder sollen etwas malen und an die große Wand hängen, wo die Eltern dann die Werke ihrer Kleinen sichten können. Das hier einige vermutlich Copyright geschützte Werke dabei sind, ist klar. Kinder malen nun mal auch ihren aktuellen Superhelden. Sei er nun von Marvel oder DC.

Massive Urheberrechtsverletzungen

Nach den Befürwortern der Reform ist diese auch notwendig, da es eine massive Anzahl an Verletzungen des Urheberrechts geben soll. Leider kann hier keiner eine genaue Zahl nennen, bzw. es gibt sehr wenige Studien darüber. Dennoch, sollte dies schon so massiv sein, hätte die Justiz jetzt schon gegen eine so prominente Plattform Schritte unternommen und diese offline genommen. Wie dies beispielsweise kino.to geschehen ist.

Nur die Rechte einholen

Die Plattformen müssten sich lediglich die Rechte holen, die Stücke spielen zu dürfen.
Die CDU bevorzugt ja auch ein Modell des lizenzieren, statt des blockens. Logischerweise, da ansonsten den Rechteinhabern kein Geld zukommen würde. Da kann es ja nicht so schwer sein, sich die Lizenzen zu holen.
Für alle anderen Stücke, mit denen sich die Plattformen nicht einigen können, oder aber deren Rechteinhaber keinen Upload wünschen, muss der Upload lediglich unterdrückt werden.
Klingt banal, ist es aber nicht. Weiteres weiter unten in diesem Artikel.

Wir können ja nicht

Zu guter Letzt ein Argument, welches ich erst neulich gehört habe: „Die GEMA hat keine Möglichkeiten heraus zu finden wie oft und wie lang Musikstücke auf Plattformen gespielt werden“
Das mag vielleicht so stimmen. Jedoch liegen diese Informationen bei YouTube vor. Mit dem bestehenden System ist es möglich mehr oder minder effektiv heraus zu finden, welche Stücke in z.B. Videos eingebettet sind. Dies multipliziert mit der Anzahl der Aufrufe würde das Problem lösen.
Die GEMA müsste lediglich sich mit YouTube auf eine Schnittstelle einigen, wie die Daten zu ihr gelangen.

Content-ID-System von YouTube

Bei YouTube gibt es derzeit ein Content-ID-System, welches über Uploads und deren Sperrung entscheidet. Das Content-ID-System hat allerdings einen anderen Zweck. So ist es möglich, das ein Verwerter, der die Rechte an einem Stück hat, das hoch geladene YouTube zu claimen und die Einnahmen durch das Video selber zu erhalten. Dieses System funktioniert leider nicht so gut, wie es müsste um den Artikel 13 abzubilden.
Zum Beispiel Satire und Zitate kann das System nicht erkennen und freigeben. Hier wird im Zweifel lieber geclaimt und teilweise auch unberechtigterweise. Es kommt vor, das entweder der Algorhytmus Werke erkennt, die gar nicht da sind, oder aber ein jemand sich als Urheber für ein Stück ausgibt, das gar nicht ihm selbst gehört.
Auch kann das System nicht Teile eines Videos „beschlagnahmen,“ sondern nur ganze Videos. D.h. wenn ich ein Ein-Stunden-Video hochlade, bei dem 20 Sekunden eines Liedes als unwesentliches Beiwerk zu hören sind, gehen alle Einnahmen an den Rechteinhaber. Und das, obwohl dieses unwesentliche Beiwerk schon jetzt erlaubt ist. Übertragen auf die Offline-Welt würde das bedeuten, das eine Zeitung, die unberechtigterweise ein geschütztes Bild abdruckt, die gesamten Einnahmen dieser Ausgabe an Dritte weiter geben muss.
Und das bei einem System das schon mehr als 100 Millionen Dollar gekostet hat.

Wie das europäische Internet aussehen könnte.
Quelle: YouTube.com,
Bildunterschrift: Ich

Andere Plattformen

Andere Plattformen haben vielleicht nicht die Möglichkeiten um eine solche Investition innerhalb der nächsten 2 Jahre zu bewerkstelligen. Diese müssten diese Filtertechniken einkaufen. Für kleine Plattformen, die kaum Umsatz generieren ein Ding der Unmöglichkeit. Diese würden schließen müssen.
Und bei Plattformen, die es sich leisten können? Die würden mehr Informationen an den Google-Konzern liefern. Da freut sich der Datenschutz!

Und man beachte: Nicht nur Video- und Musikplattformen sind betroffen. Auch alle anderen Plattformen, wo Texte, Bilder und jede Art von urheberrechtlich relevanten Material liegt, ist betroffen.

Die Argumente dagegen

Eine Sache, die die Befürworter der Urheberrechtsreform ständig außer Acht lassen sind die kleinen Plattformen. Plattformen die betroffen sind, weil dort Benutzer Inhalte erstellen. Seien es kleine Plattformen wie piqs.de, welche von Anwalt Christian Solmecke ins Leben gerufen wurde, die keinen nennenswerten Gewinn bringen um einen Filter zu installieren. Diese müssten diesen Filter teuer einkaufen und würden damit unrentabel werden.

Verhältnismäßige Maßnahmen

Aber halt! Im Text über den Artikel 13 steht ja, das man nur Maßnahmen anstreben muss die verhältnismäßig sind. Das bedeutet, das eine kleine Plattform keinen Uploadfilter entwickeln muss? Nun, die Plattform kann auch menschliche Intelligenz einsetzen.
Ich nehme da jetzt das Beispiel piqs.de: Hier braucht man keine maschinelle Wertung, aber einen Menschen dahinter, der alle Werke, die irgendwo gemeldet wurden mit den Werken abgleicht, die in der eigenen Datenbank liegen. Das würde wahrscheinlich bedeuten, das jedes Bild in der eigenen Datenbank mit x-Millionen Werken abgeglichen werden muss. Menschlich nicht möglich. Da muss also eine Maschine her.
Auch wenn die Maschine das einmal gemacht hat, dann geht es ja weiter. Bilder werden ständig erschaffen. Das bedeutet, das dieser Prozess dauerhaft laufen muss.
Letztendlich wird die Datenbank der gesperrten und urheberrechtlich bekannten Werke wahrscheinlich größer, als die Datenbank der eigentlichen Produkte, die man zur Verfügung stellt. Auch wenn es den Filter umsonst gäbe, wären die technisch notwendigen Installationen um den Betrieb zu gewährleisten sicher so hoch sein, das die Plattform unrentabel wird.

Haftung der Plattformen

Worum es geht.
Quelle: Pixabay, Bildunterschrift: Ich

Auch werden die Plattformen nun für Urheberrechtsverstöße der Benutzer haftbar gemacht. Um nochmal das Beispiel des Kindergartens auf zu nehmen: Mit der Urheberrechtsreform werden die Kinder auch weiterhin ihre Marvel und DC-Superhelden malen. Allerdings wird der Kindergarten dafür gerade stehen müssen, wenn die beiden Firmen das nicht gut heißen. Also wird er die Werke die vermutlich Probleme bereiten nicht aufhängen. Und das nicht nur bei klarer Identifizierung, sondern ebenfalls bei Werken, die in die entsprechende Richtung gehen könnten. Eine Klage oder Unterlassungserklärung kann er sich einfach nicht leisten und blockt (filtert) hier lieber großflächiger. Die Wand bleibt also soweit leer, soweit eines der Kinder nicht ein absolutes Erstlingswerk erstellt hat.

Sind meine Blogs betroffen?

Das ist die große Frage. Ich selber betreibe zwei Blogs. Einen Text-Blog, auf dem du diesen Text hier liest und einen Portfolio-Blog, auf dem ich meine Lets-Plays veröffentliche. Bei beidem kann ich klar sagen: Ja, es betrifft mich. Nein, es betrifft mich nicht.
Zum einen, habe ich auf beiden Blogs urheberrechtlich relevante Werke. Seien dies nun Fotos von Buchcovern, oder Screenshots aus Spielen als Thumbnails. Beides ist erstmal geschützt. Ich müsste also mit allen Rechteinhabern Lizenzverhandlungen betreiben. Sollte ich zu keiner Übereinkunft kommen, so muss ich sicherstellen das ich die Werke nicht mehr nutze. Gut, für mich persönlich ist das glücklicherweise nur soweit problematisch, das ich hier irgendwo eine große Datenbank brauche, in denen ich die Ergebnisse der Verhandlungen speichere und diese manuell prüfe.
Sollte ich einen zweiten Benutzer erlauben, ebenfalls hier zu veröffentlichen, so muss ich auch das erst abgleichen. Spätestens beim dritten Benutzer, würde ich mich fragen, ob ich so viel Zeit für ein Hobby investieren möchte. Je nach Aufwand, würde ich wahrscheinlich sogar schon nur für mich den Aufwand scheuen und meinen Blog schließen.

#NieWiederCDU und #NieWiederCSU

Auch noch einmal einen schönen Gruß an dieser Stelle an die Union aus CDU/CSU, die nach den massiven Protesten jetzt schon erklärt, wie sie die Urheberrechtstexte in Deutschland umsetzen möchte. In 2 Jahren. Nach der nächsten Bundestagswahl selbstverständlich. Hier wird dann davon gesprochen, das alles besser gemacht werden will, als im jetzigen Text.
Gerne würde ich das glauben. Jedoch ist gerade die Union die treibende Kraft, um genau jenen Text auf Europa-Ebene durch zu peitschen, der in 2 Jahren national zu entschärfen. Glaubwürdig wäre nur, wenn die Unionsabgeordneten sich jetzt schon für eine Änderung einsetzen würden. Ich baue schließlich auch kein Auto ohne Räder, nur um zu versprechen das ich die Räder garantiert nachliefern werde, sobald ich bezahlt worden bin. Selbst wenn im Vertrag kein Wort von Rädern steht.

Fazit

Mit den aktuellen Texten in der Urheberrechtsreform kann ich nicht positiv in die Zukunft sehen. Das gilt sowohl für Artikel 13, aber auch für Artikel 11 und 12. Ich kann für mich ebenfalls nicht sagen, ob ich unter der neuen Gesetzeslage auch nur eines meiner Blogs, einen meiner Kanäle auf Twitch oder YouTube betreiben kann, geschweige denn meinen Hobbies nachgehen, so wie ich das will.

Eine Bitte an alle, die gegen diese Reform sind:
Am 23. März gibt es Europa-weit Proteste und Demonstrationen gegen die Reform. Reiht euch friedlich in die Demo in eurer Nähe ein und zeigt der Politik, das ihr nicht mit dem Text einverstanden seid.

Zu guter letzt noch einen Hinweis an alle Befürworter, die sagen: „Lesen Sie einfach den Text“. Das tut jeder gerne, allerdings ist es ein Ding der Unmöglichkeit, wenn dieser Text hinter verschlossenen Türen verhandelt und auch nicht veröffentlicht wird. Wie soll man für etwas sein, wenn man den Inhalt nicht kennt? Ich trinke ja auch keine unbeschriftete Dose, nur weil mir jemand weiß machen will, das dort das leckerste Getränk der Welt enthalten ist.