Dies ist nun der zweite Teil der Geschichte „Die kleine L.“ Ich wünsche viel Spaß beim lesen.
Ruhig und nahezu teilnahmslos hörte sich L. die Ausführungen des Arztes und ihrer Eltern an.
Sie erinnerte sich an vieles was ihre Eltern zum Arzt sagten.
Als sie laufen gelernt hatte, brachten Ihre Eltern schnell viele Dinge in Sicherheit. Sicherlich waren da auch Dinge wie Feuerzeuge und Messer dabei, aber auch schöne Sachen mit denen sie gerne gespielt hätte. So waren die beiden Puppen, die ihre Oma ihr geschenkt hatten auch in unerreichbare Ferne gerückt worden.
Auch als sie den Keller abgesperrt vorgefunden hatte, war das zuerst ein kleiner Weltuntergang gewesen, da die meisten Spielsachen in Kisten im Keller gelagert wurden. Später hat sie herausgefunden, dass ihre Eltern diese dort unten gelagert hatten, bis sie alt genug sei. Offensichtlich war man nie alt genug, da ihre Eltern die Dinge nie mehr ans Tageslicht geholt hatten.
Den Hund, von dem die Eltern gesprochen hatten, war eine Seele von Tier. L. liebte es mit ihm zu spielen und mit ihm herum zu tollen, wenn die Eltern es nicht sahen. Sie wusste, dass ihre Eltern immer argwöhnisch schauten, wenn sie sich dem Hund näherte, oder der Hund sich freute sie zu sehen. Leider wurde dem Hund das auch zum Verhängnis.
So entschieden sich ihre Eltern den Hund zur Tante zu geben, die den Hund ganz und gar nicht gut behandelte. L. hatte sich drei Nächte lang die Augen ausgeheult. Wenn die Tante zu Besuch kam, oder ihre Eltern sie mit zur Tante genommen hatte, sah sie immer weniger Freude in den Augen des Tieres. Es schien, als wenn der junge Hund sehr schnell alterte und sie zum Schluss gar nicht mehr erkannte. Es brach ihr immer mehr das Herz, das geliebte Tier so zu sehen.
Den Kindergarten hatte L. geliebt. Hier gab es endlich Gleichaltrige, mit denen sie nach Herzenslust spielen konnte. Auch gab es dort einen hübschen Apfelbaum, der zum Klettern einlud. Sicher wurde sie manchmal von den Erziehern geschimpft, dass sie dort nicht rauf klettern sollte. Aber nach einer Weile wussten alle, das sie wieder unbeschadet herunter kommen konnte.
Auch ihre Eltern haben mit ihr geschimpft, als die Erzieher ihren Eltern gesagt hatte, dass sie dort hinauf geklettert sei.
Erst später, als ihre Eltern den Erziehern gesagt hatten, dass sie eine Krankheit hatte und sich nicht verletzen dürfte, wurde peinlichst genau darauf geachtet das sie nicht in die Nähe des Baumes kam.
Überhaupt wurde sie dann auch eingeschränkt, was sie tun durfte oder womit sie spielen konnte. Auf Klettergerüste oder auch die Schaukel durfte sie dann nicht mehr.
Irgendwann wurde sie dann auch von anderen Kindern seltsam angeschaut und ein wenig gemieden. Es tat ihr weh, dass sie nicht mehr die Freiheit hatte, so zu spielen wie sie wollte.
Als sie dann in die Schule kam und nicht mehr so stark von reglementiert war, fühlte sie sich wieder ein wenig freier. Eigentlich wollte sie anfangs gar nicht mehr nach Hause, wo sie meist in ihrem Zimmer saß und mit wenigen, von den Eltern ausgewählten Spielzeugen spielte.
Hier durfte sie erstmals, seit gefühlten Jahrhunderten, wieder frei spielen. Diesmal achtete sie jedoch darauf, nicht zu sehr in Bäume zu klettern und dergleichen. Zumindest tat sie das nur, wenn niemand zusah und sie bei den Eltern verpetzen konnte.
Auch bereitete ihr der Schulstoff nie ein wirkliches Problem. Sie musste sich die meisten Dinge nur anhören und vergaß so schnell nichts davon. Ihr machte das Lernen sogar richtig Spaß, da sie durch die Lehrer, besonders in Geschichte und Erdkunde, fremde Welten kennenlernte.
In dieser Zeit begann sie auch sich für Bücher zu interessieren und fragte ihre Eltern ob sie ein paar Bücher bekommen konnte. Ihre Eltern sahen sie zuerst abschätzig an, da sie selber nur zwei Bildatlanten besaßen.
Nach einiger Zeit bekam L. aber auch zwei Bücher, auch wenn sie die schon durch die Schule kannte.
Freunde? Ja, sie erinnerte sich an die Kinder mit denen sie gespielt hatte. Leider war das nur in der Schule, da sie nie zu Besuch zu den anderen Kindern durfte. Auch hatte sie nie die Möglichkeit andere Kinder zu sich einzuladen, da ihren Eltern das zu viel Dreck machte. Auch waren die meisten Besuche eher die von Verwandten.
Auch meist nur zu offiziellen Gelegenheiten, wie den Geburtstagen ihrer Eltern. Später hieß es dann, die kleine L. würde ungern Geburtstag feiern. Ab da, schauten die Verwandten sie auch etwas seltsam an, da jedes Kind gerne seinen Geburtstag feiert. Auch vergaßen die Verwandten meistens ihre Anwesenheit, wenn sie genug Kaffee und Kuchen hatten. Eigentlich wurde sie nur von ihren Eltern durch die Gegend geschickt um etwas aus der Küche zu holen, oder zurück zu bringen.
In der Zwischenzeit durfte sie in einem Eck sitzen und darauf warten gebraucht zu werden.
Meistens hatte sie sich in der Zeit in ihrer Phantasiewelt begeben um die Zeit rum zu bekommen. Manchmal hatte sie aber auch die Gesellschaft beobachtet. Meistens sah sie die vorgespielte Höflichkeit der Erwachsenen und das sie nur deswegen vorbei gekommen waren.
Eigentlich sah sie die anderen Erwachsenen nur dann, wenn es um Feiern ging.
In den Garten konnte L. schon lange nicht mehr. Zu gefährlich hat es von ihren Eltern geheißen. Nur wenn sie sich nachts raus schlich, kam sie dorthin. Sie liebte es die frische Luft und Natur zu genießen. Auch wenn nachts keine Vögel mehr zwitscherten, erfreute sie sich dennoch daran in einem der Baumwipfel zu sitzen und die Natur zu beobachten, wie sie selber schlief.
Wenn sie nachts nicht draußen war, so verbrachte sie die meiste Zeit damit in ihrem Zimmer zu spielen. Hier spielte sie meist mit den abgegriffenen Bauklötzen, die ihre Eltern ihr nicht entzogen hatten. Diese waren sehr einfach zu reinigen. Anders sah es dann bei der Puppe, geschweige denn den Stofftieren aus. Diese verschwanden im Laufe der Zeit. Meistens, wenn sie vergessen hatte diese wieder aufzuräumen und von der Schule wieder kam.
Dennoch hatte sie es geschafft ihr Lieblingsstoffbären in einem tiefen Winkel des Schrankes zu verstecken. Sie holte ihn ab und an wieder hervor um mit ihm zu spielen. Das geschah allerdings nur Nachts, weil sie Angst hatte, das auch er verschwinden würde.
Ihre Lehrer hatten ihre Eltern auch immer wieder darauf angesprochen, das sie in der Schule gemieden wurde, da sie schon seit längerem und immer wieder mit den gleichen, ab geschlissenen Kleidern auftauchte. L. selber machte dies nicht sehr viel aus, da sie ein paar Freunde hatte, die sich daraus auch nichts machten.
Als sie dann die Schule wechseln musste, war das ganz grauenvoll für sie. Mit einem Mal verlor sie alle Menschen, die sie mochte und kannte. In der neuen Schule hatte sie anfangs keinen Anschluss an die anderen Kinder und konnte diesen auch nicht so schnell finden. Also beschäftigte sie sich mehr allein mit sich selbst. Auch hier wurden ihre Eltern darauf angesprochen. Nachdem L. jedoch gut mit dem Unterrichtsstoff zurechtkam, sahen ihre Eltern keinerlei Handlungsbedarf.
Im letzten Jahr hatte sie dann gemerkt, das sie größer und kräftiger als ihre Eltern wurde. Sie hatte auch bemerkt, wie ihre Eltern Furcht vor ihr entwickelten und sie versuchten klein zu halten.
Zum einen hielten sie L. ihre Zimmertür vor, so dass sie immer beobachtet werden konnte. Nun traute sie sich nachts seltener mit den versteckten Spielsachen zu spielen. Auch ihre versteckten Bücher, die sie sich von anderen Schulkindern geliehen hatte, konnte sie nun nicht mehr lesen, da der Lichtschein ihre Eltern auf den Plan gebracht hätte.
Eines Nachts hatten ihre Eltern dennoch eines ihrer Verstecke gefunden, als sie gerade noch schnell ein paar Sachen verstecken wollte. Leider wurden ihre Eltern – wie oft in solchen Fällen – sehr böse und stellten ihr Zimmer auf den Kopf. Sie durfte eine ganze Woche lang nicht zur Schule gehen und ihr wurde nahezu alles abgenommen, was sie besaß. Zu ihrem Besten, hatten ihre Eltern betont.
Als L. versuchte etwas dagegen zu sagen, drängten sie L. ins Bad und schlossen sie dort ein. Sie wusste selber nicht was geschah.
Das war nun zwei Wochen her.
Sie folgte dem Gespräch zwischen den Arzt und ihren Eltern, die soeben damit abschlossen, dass die kleine L. sich in den letzten Wochen öfters im Bad einschloss und sich weigerte dort wieder hinaus zu kommen.
L. wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach, aber auch das es keinen Sinn machte etwas dagegen zu sagen. So wartete sie ab, bis ihre Eltern gegangen waren und der Arzt ihr sagte, dass man ihr hier helfen würde.
Sie wusste genau, dass sie hier ihre Ruhe haben würde und als der Pfleger kam um sie zu ihrem Bett zu bringen, fühlte sie eine gewissen innere Ruhe. Sie freute sich darauf, endlich mit sich alleine zu sein und die Freiheit ihres Geistes genießen zu können.